Zwölf Gründe, den Haushalt 2014 der Stadt Bad Breisig abzulehnen
So kann es nicht weitergehen!
Grund Nr. 1, den Haushalt abzulehnen: Der Fehlbetrag im Ergebnishaushalt beträgt 1,272 Mio. Euro. Darin ist der Fehlbetrag des Finanzhaushaltes in Höhe von 973.000 Euro enthalten. Und in diesem Fehlbetrag steckt die Übernahme des gesamten Jahresverlustes 2013 der Kurbetriebe „Römer-Thermen“ in Höhe von 497.000 Euro. Jeder zehnte Euro bei den laufenden Ausgaben ist nicht gedeckt. Und das bei einer erfreulich stabilen Konjunkturlage. Die Konsequenz müsste sein: In einer Blut-, Schweiß- und Tränenrede sagen, was ist und was passieren muss. Wir haben diese Rede nicht gehört. Darf man das sagen?
Grund Nr. 2, den Haushalt abzulehnen: Seit zehn Jahren wurde nicht ein einziges Mal ein ausgeglichener Haushalt vorgelegt. Der Verzehr des Eigenkapitals schreitet rasant voran. Darf man das sagen?
Grund Nr. 3: Der Bedarf an neuen Kassenkrediten (Dispo) beträgt mehr als 1,2 Mio. Euro. Dabei geht es um den Fehlbetrag im Finanzhaushalt zuzüglich der Tilgungsrate der Investitionskredite. So steht es im Haushaltsplan auf Seite 6-2. Die Aufnahme von Investitionskrediten ist auf Null gesetzt. Das ist ein Lichtblick zweifelsohne. Dem stehen ehrlicherweise allerdings Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von mehr als 800.000 Euro für kommende Jahre gegenüber. Und weil wir gerade bei Lichtblicken sind. Es gibt da noch einen: Die Beitragszahler von vier Ortsstraßenausbauten erhalten die zu viel bezahlten Beiträge zurück. Insgesamt sind es mehr als 130.000 Euro. Die Beträge im Einzelnen: Grabenstraße 74.500 Euro, Gartenstraße 20.000 Euro, Hauptstraße 31.000 Euro und St. Viktorstraße 7.200 Euro. Sicher ist die Beitragsabrechnung eine komplizierte Angelegenheit, die auch ihre Zeit braucht. Wer sich aber erinnert, seit wann die Hauptstraße Oberbreisig und die St. Viktorstraße Oberbreisig fertiggestellt sind, wird sich fragen, warum es bei diesen beiden Straßen so lange dauern musste.
Grund Nr. 4: Die Stadt Bad Breisig hatte im Jahr 2013 einen durchschnittlichen negativen Tagesbestand von mehr als 4,7 Mio. Euro, sprich Kassenkredite. Dafür sind 2013 an Zinsen rund 72.000 Euro in Rechnung gestellt worden (ohne Römer-Thermen). Mit den Römer-Thermen waren es rund 100.000 Euro an Zinsen allein im letzten Jahr. Und seit dem Jahr 2000 sind an Kassenkreditzinsen in der Summe mehr als 800.000 Euro angefallen. Über die Verhältnisse leben ist teuer. In den Jahren 2014 bis 2017 werden laut Plan mehr als 3,5 Mio. Euro weitere Kassenkredite hinzukommen (Seite 6-2). Seit 2000 sind die Kassenkredite bis heute auf das 16fache angewachsen. Im Gegensatz zu Investitionskrediten werden Kassenkredite nur verzinst, nicht getilgt. Das sind niederschmetternde Zahlen. Damit ist übrigens der Niedergang der Verbandsgemeinde – mehr als 70 Prozent der Bevölkerung wohnen in der Stadt – nur eine Frage der Zeit. Die nächste Generation, deren Kinder und Enkel werden das zu spüren bekommen. Und zwar gewaltig. Deren Handlungsspielraum wird gleich Null sein.
Grund Nr. 5: Es wurden und werden Ausgaben getätigt, als könnte die Stadt aus dem Vollen schöpfen.
a) Die City-Streife streift auch dann, wenn kein Bedarf besteht.
b) Die Grünpflege wird teils privatisiert und der Baumschnitt ebenfalls. Das Geld wächst offenbar auf den Bäumen. Beim Baumschnitt soll offenkundig aus einem einmaligen Sonderauftrag an eine Gartenbaufirma ein Dauerauftrag werden. Früher hat das der Bauhof erledigt. Es geht ja nur um rund 10.000 Euro.
c) Der Kehrdienst rauscht durch die Stadt, wie schnell er will und wann er will. Selbst in den Reihen der CDU wird die Frage gestellt, ob hier für eine Leistung gezahlt wird, die gar nicht im vereinbarten Umfang erbracht wird.
d) Der Winterdienst streut selbst dann, wenn sich weit und breit keine Schneeflocke bei uns niederlässt. Neuerdings ist der Winterdienst sogar bei Raureif unterwegs wie beispielsweise am 05. Dezember 2013. Das Salz muss raus.
e) Die Stromversorgung des KD-Steigers wurde in der absolut teuersten Variante als Erdkabel von der Mitte der Eulengasse ins Werk gesetzt, obwohl es anders besprochen war.
f) Die Normenkontrollklage gegen die Schutzverordnung für das Trinkwassergewinnungsgebiet „Goldene Meile“ geht richtig ins Geld und fördert sehr seltsame Dinge zutage. Für uns ist der Schutz des Trinkwassers nicht relativ und deshalb auch nicht verhandelbar.
g) Da wird für eine Studie „Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ)“ dickes Geld ausgegeben, obwohl ein solches MVZ neben EDEKA schon besteht.
h) Da wird eine Schrottimmobilie, das rosa Haus neben dem Bahnhof (Koblenzer Straße 84), zu einem Mondpreis gekauft. Jetzt werden Planungskosten (5.000 Euro) eingestellt, dann wird der Abriss weiteres Geld kosten und am Ende auch die Herrichtung der Fläche.
i) Kein Wunder, dass sich Bürger melden, die ihre unverkäufliche oder heruntergewohnte, seit Jahren leerstehende Immobilie der Stadt andienen wollen. Wie sagte kürzlich ein Handwerksmeister aus Oberbreisig und griff sich an den Kopf: „Ist denn der Stadtrat verrückt geworden?“ Dieser Hauskauf „Koblenzer Straße 84“ ist das Symbol für Geldverschwendung in einem besonders krassen Fall. Da wird die Erinnerung wieder wach an den Erwerb der Fläche „Kapellchen“, die wie ein besonders schwerer Klotz am Hals der Stadt hängt. Ein Glück, dass diese Fläche im Sanierungsgebiet „Aktive Stadt“ liegt.
Grund Nr. 6: Und um das alles noch zu übertreffen, zerbricht man sich den Kopf, wo es einen Standort gäbe für eine neue Stadthalle. Himmel hilf! Darf man das sagen?
Grund Nr. 7: Einerseits wird der zuständige Ausschuss „Kurbetriebe“ überrascht mit dem Vorschlag, den Parkplatz „Römer-Thermen“ zu erweitern. Andererseits laufen in derselben Sitzung Gedankenspiele über den Fortbestand der Römer-Thermen als Ganzem. Einerseits werden dort spürbare Einsparungen bei der Wärmerückgewinnung und einer neuen Heiz- und Wassertechnik als sehr aussichtsreich kommuniziert und Mittel eingestellt und dann wird vorgeschlagen, diese Mittel wieder aus dem Haushalt herauszunehmen. Es geht mal eben um 280.000 Euro. Das Einzige, auf das man sich wirklich verlassen kann, ist die Sprunghaftigkeit. Ich darf an dieser Stelle etwas Persönliches einflechten: Es gibt im Leben wenig Dinge , die mich sprachlos machen. Der Verlauf der Vorberatung des Haushalts im Ausschuss „Kurbetriebe“ und im Hauptausschuss hat es geschafft. Das war bizarr.
Grund Nr. 8: Die Römer-Thermen sind der Lastesel der Stadt und werden für alles Mögliche in Anspruch genommen. Sie trägt Lasten, die der Stadt zuzuordnen sind, nicht den Aufgaben einer Therme. Zum Beispiel die Altlast aus der Verpachtung des ehemaligen Kurhotel-Komplexes an Söller-Flasche auf Initiative der CDU. Diese Verpachtung endete mit der Insolvenz in einem Desaster. Die Scherben aus diesem Desaster landeten in der Bilanz der Römer-Thermen.
Grund Nr. 9: Das Projekt „Aktive Stadt“ hat zwei Seiten. Den privaten und den öffentlichen. Die private Seite zu fördern, das heißt, die Sanierung privater Gebäude im Sanierungsbereich zu fördern, geht völlig in Ordnung. Die andere Seite – der öffentliche Bereich – ist hochproblematisch. Die Umgestaltung der unteren Bachstraße treibt den Anliegern und darunter den Gewerbetreibenden den Angstschweiß auf die Stirn. Vom Rheinufer erst gar nicht zu reden. Was nicht kaputt ist, das muss man nicht reparieren.
Grund Nr. 10: Alle unsere Warnungen in den letzten zehn Jahren wurden in den Wind geschlagen:
In der Stellungnahme zum 1. Nachtragshaushalt 2004 hat die SPD-Fraktion deutlich gemacht: „Wir stehen 2005 vor einer Richtungsentscheidung. Die eine Möglichkeit: Die Einnahmen verbessern, die Ausgaben zu drücken, Unpopuläres und Unbequemes zu beschließen und „in den sauren Apfel“ zu beißen. Die andere Möglichkeit: Verstärkt vom süßen Gift der Kassenkredite zu nehmen mit der Folge, dass die kommunale Selbstverwaltung nur noch auf dem Papier steht.“
Das war vor zehn Jahren.
Seitdem hat die SPD-Fraktion immer wieder deutlich gemacht, dass Einnahmeverbesserungen unausweichlich sind.
Zum Haushalt 2005 haben wir gesagt: “Je länger die Eingriffe hinausgeschoben werden, umso schmerzhafter werden sie erfolgen müssen.“
Zum Haushalt 2006: “Die Stadt steckt „knietief im Dispo“ und muss über eine Reihe von Jahren „unter ihren Verhältnissen“ leben, um sich von dieser Last zu befreien.“
Zum Haushalt 2007: „Selbst in einem ausgesprochenen Boomjahr gelingt es nicht, alte Kassenkredite herunterzufahren.“
Zum Haushalt 2008: „Nur in Boomjahren gelingt der Haushaltsausgleich, in Normaljahren oder rezessiven Phasen übersteigen die Ausgaben die Einnahmen bedenklich. Das heißt: In wirtschaftlichen Normaljahren besteht ein strukturelles Defizit. Ohne kräftige Einnahmeerhöhungen und schmerzhafte Einsparungen wird sich die finanzielle Lage der Stadt bei der nächsten konjunkturellen Abschwächung zuspitzen.“
Das war vor sechs Jahren.
Zum Haushalt 2009: „Ein Sanierungsplan drängt sich auf.“
Dann lag der Haushalt 2010 vor: In ihm gab es einen einzigen Lichtblick. Auf die Aufnahme ordentlicher Kredite wurde verzichtet. Die Investitionen waren so geplant, dass sie unter anderem aus dem Erlös von Grundstücksverkäufen finanziert werden konnten. Voraussetzung war, dass die geplanten Erlöse auch erzielt wurden. Auf die Erlöse aus dem Verkauf des Grundstückes ‚Kapellchen’ warten wir noch heute. In mehreren Jahren stand dieses Grundstück als Einnahmeposition im Haushalt. Vergeblich. Es scheint – zurzeit jedenfalls – unverkäuflich zu sein. Auch die Sperrparzelle zur Bahn hin mindert den Wert des Grundstücks beträchtlich. Und hier kommt der dritte Lichtblick: Das Grundstück liegt wenigstens im Sanierungsgebiet „Aktive Stadt“. Das lässt ein Stück hoffen.
Konsequenterweise ist der SPD-Fraktion 2010 und 2011 und 2012 und 2013 endgültig der Kragen geplatzt. Wir haben die Haushalte abgelehnt. Die Schmerzgrenze war erreicht. Und zwar deutlich.
Halt: Da gab es für den Haushalt 2011 noch eine Besonderheit: Der Bürgermeister forderte den Stadtrat auf, den von ihm selbst vorgelegten Haushalt 2011 abzulehnen. Zitat: “Meine Empfehlung – voller Überzeugung – kann deshalb eigentlich nur lauten: Bitte, lehnen Sie diesen Haushalt ab. Es ist nicht mehr verantwortbar!“ Wer ist der Aufforderung des CDU-Bürgermeisters gefolgt? Die SPD-Fraktion mit ihren sechs Stimmen. Sonst niemand. Nicht einmal der Bürgermeister selbst ist seiner eigenen Empfehlung gefolgt. Ist das nicht bizarr? Darf man so etwas sagen?
Grund Nr. 11: Die Hilfe des Landes wird kleingeredet bis ignoriert oder schamhaft verschwiegen., obwohl sie in enormen Beträgen fließt. So steigen die Schlüsselzuweisungen A von 502.000 Euro um 169.000 Euro auf 671.000 Euro, also um mehr als 33 Prozent.
Hier eine Auflistung der 21 Bewilligungsbescheide des Landes für die Stadt und die Verbandsgemeinde Bad Breisig allein für den Zeitraum 2009 bis 2013:
2009 Umbaumaßnahmen am Schulgebäude und an der Sporthalle der
Grundschule ‚Lindenschule’ 510.000 Euro
2011 Dorferneuerung Rheineck 8.868 Euro
2012 Dorferneuerung Rheineck 9.022 Euro
2010 Aktive Stadt 700.000 Euro
2011 Aktive Stadt 560.000 Euro
2012 Aktive Stadt 100.000 Euro
2009 Ausbau der Garten- und Grabenstraße 248.000 Euro
2010 Nachbewilligung Umbau Bahnhof 47.000 Euro
2011 Ausbau der Eifelstraße 536.000 Euro
2012 Bau eines Kanals zur Ableitung von
Außengebietswasser 454.000 Euro
2012 Brücke Nord 1.391.000 Euro
2010 Ausbau Tourist-Information 141.780 Euro
2009 Workshop ‚Kurorte und Heilbäder’ 9.600 Euro
2009 Offenlegung Liesbach 135.000 Euro
2008 Wassergewinnung „Goldene Meile“
(bis 2011) 344.000 Euro
2009 Förderung der Integration von jungen
Menschen (bis 2011) 22.500 Euro
2009 Schulsozialarbeit Hauptschule (bis 2010) 24.225 Euro
2010 Umwandlung von Plätzen Kindergarten 7.000 Euro
2011 U 3-Plätze Kindergarten St. Viktor 40.827 Euro
2012 Neubau Kindertagesstätte
„Sonnenschein“ 407.900 Euro
2013 Umwandlung von Plätzen Kindergarten 6.000 Euro
Quelle:Landtagsdrucksache 16/2574 Summe: 5.702.722 Euro
Zusätzlich:
2013 Beratung und Unterstützung privater
Modernisierungsmaßnahmen im Rahmen des
Programms „Aktive Stadt“ 24.500 Euro
Grund Nr. 12: Die Hilfe des Bundes wird kleingeredet bis ignoriert. Und das nach kompletter Übernahme der Grundsicherung ab 2014. Und das, obwohl im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist, dass ein erheblicher Teil der Eingliederungshilfe künftig vom Bund getragen werden soll, davon schon eine Milliarde noch in 2014.
Fazit:
1) An einem ausgeglichenen Haushalt führt kein Weg vorbei. Alles andere ist Raubbau an denen, die nach uns kommen. Jeder Euro muss dreimal umgedreht werden. So machen es 90 Prozent der Bürger, wenn die Mittel knapp sind. So macht es fast jeder Verein, wenn die Mittel knapp sind. Und so ist es vernünftig.
2) Schleichende Prozesse im Leben, die man zu spät erkennt oder gar nicht wahrhaben will, sind das eigentlich Gefährliche.
An einem behutsamen Abschmelzen der Kassenkredite, so schwer es auch fallen wird, führt kein Weg vorbei.
3) Das Notwendige tun im Sinne von „Not abwenden“ und das Wünschenswerte zurückstellen. Darauf muss es ankommen. Das ist auch gar nicht schlimm. Dann dauert die Vorfreude halt etwas länger.
Die SPD-Fraktion lehnt den Haushalt ab.